Ökumenische Annäherungen und Ermutigung zum Weitergehen

Maria Stettner, Leiterin des Ökumene-Referats der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und designierte Ökumene-Referentin der VELKD, zum Tod von Papst Franziskus
Am 13. März 2013 wurde Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires in Argentinien, zum Papst gewählt. Er war der erste Papst aus Lateinamerika und der erste Jesuit in diesem Amt.
In seinem Pontifikat setzte Franziskus auf eine pastoral geprägte Amtsführung mit starkem Fokus auf soziale Gerechtigkeit, Demut und Nähe zu den Menschen. Die Wahl des Namens Franziskus verdeutlichte dies ebenso wie sein bescheidener Lebensstil und die Absage an monarchische Insignien.
Damit unterschied er sich von seinen Vorgängern Benedikt XVI. und Johannes Paul II. deutlich. Benedikt XVI. galt als Theologe und Bewahrer der kirchlichen Lehre und Johannes Paul II. wirkte durch charismatische Präsenz und weltpolitische Einflussnahme.
In der Kirchenpolitik zeigte sich Franziskus reformorientiert. Er betonte die Bedeutung der Synodalität und versuchte, die Mitbestimmung in der Kirche zu stärken. Wenngleich hier aus evangelischer Perspektive vor allem in Hinsicht auf die Beteiligung von Laien an der Kirchenleitung noch weitere Entwicklungen denkbar sind, so ließ zuletzt die Zusammensetzung des weltweiten Synodalen Prozesses erkennen, dass Franziskus trotz innerkatholischer Kritik Zeichen setzen konnte.
Franziskus Haltung zur Ökumene war von dialogisch-praktischer Annäherung gekennzeichnet, weniger von der Bearbeitung der theologischen Differenzen. Er greift den Ansatz der „Einheit in Vielfalt“ und der „versöhnten Verschiedenheit“ auf, was zugleich eine größere Offenheit für neue Wege der Einheit ermöglicht wie auch das Festhalten an zentralen katholischen Identitätsmerkmalen.
Für die Annäherung zwischen Katholiken und Lutheranern war die gemeinsame Vorbereitung auf Reformationsgedenken 2017 unter der Überschrift „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ von großer Bedeutung. In der gleichnamigen Studie wird der differenzierende Konsens zu Fragen der Rechtfertigungslehre, des Schriftverständnisses, des Sakramentenverständnisses und des kirchlichen Amtes dargestellt. Es erfolgt eine argumentative Umkehr: nicht das ökumenische Engagement bedarf einer Begründung, sondern das Ausbleiben dessen ist begründungspflichtig.
Gemeinsame Feier zum Reformationsjubiläum
Am Vorabend der Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation, am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund, dem Geburtsort des Lutherischen Weltbundes, feierte Papst Franziskus zusammen mit dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, und dem Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes, Martin Junge, eine Versöhnungsliturgie „Together in Hope“, in der der gemeinsamen Geschichte von Katholiken und Lutheranern gedacht, gegenseitig Schuld eingestanden und einander Vergebung zugesprochen wurde – ein Ereignis von historischer Bedeutung, bei dem Kirchenleitende aus vielen anderen Kirchen Zeugen waren.
In der Gemeinsamen Erklärung, die Franziskus und Younan anschließend unterzeichneten, wurden wichtige Grundsätze der römisch-katholischen/lutherischen Beziehungen für die Zukunft festgehalten: etwa, dass das Verbindende größer sei als das, was trennt; Dankbarkeit beider Kirchen für die geistlichen und theologischen Gaben der Reformation; die Verpflichtung zum gemeinsamen Zeugnis; die Verpflichtung im theologischen Dialog weiter nach einem Weg zur gemeinsamen Eucharistiefeier zu suchen.

Papst Franziskus (rechts) mit dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan (li.) unterzeichnen am 31.10.2016 in der Kathedrale von Lund (Schweden) ein gemeinsames Wort anlässlich des katholisch-lutherischen Reformationsgedenkens.
In der auf den Gottesdienst folgenden Feier in der Eishalle in Malmö wurde Papst Franziskus' Überzeugung, dass die Kirchen nicht erst auf theologischen Konsens warten können, sondern bereits in gemeinsamen Werken der Barmherzigkeit und im Zeugnis für die Welt Einheit sichtbar werden müsse, anschaulich dargestellt. Diese „Ökumene des Handelns“ zeigt sich insbesondere in der Zusammenarbeit mit lutherischen Kirchen in sozialen Fragen – sei es in der Flüchtlingshilfe, im Einsatz für die Schöpfungsbewahrung oder im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit. Statt ausschließlich auf die noch bestehenden theologischen Differenzen zu schauen, ermutigte Franziskus Christen*innen beider Traditionen, in der Praxis bereits als Geschwister zu handeln. Sein Engagement für soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz, unter anderem durch die Enzyklika Laudato si’, wurde von lutherischer Seite positiv aufgenommen und als gemeinsamer Auftrag verstanden.
Ökumenische Annäherungen
Für das Jahr 2025, so beschrieb Franziskus dies bei einem Besuch von Vertretern des Lutherischen Weltbundes in Rom im Jahr 2021 und erneut 2024, liege im Jubiläum des Konzils von Nizäa eine große Chance, einen gemeinsamen Schatz zu heben, einen verbindlichen „Ausdruck des Glaubens nicht nur für die Katholiken und Lutheraner, sondern auch für unsere orthodoxen Brüder und Schwestern und für viele andere christliche Gemeinschaften.“ Ins Zentrum rückt Franziskus hierbei die Person Jesu Christi: „Jesus Christus ist die Herzmitte der Ökumene.“
Ein charakteristisches Merkmal des Pontifikats von Franziskus war seine ökumenische Reisepraxis. So besuchte er gemeinsam mit dem ökumenischen Patriarchen Bartolomaios I. Lesbos und mit dem Erzbischof von Canterbury gemeinsam den Südsudan. Seine Reisen nach Osteuropa, insbesondere nach Rumänien, Bulgarien und in die Ukraine, dienten den Beziehungen zur orthodoxen Kirche, während seine Besuche in Skandinavien und der Schweiz den Dialog mit den Lutheranern und Reformierten stärkten. Darin wurde sichtbar: Ökumene war für Franziskus ein lebendiger Prozess des gegenseitigen Respekts und der Begegnung.
Freilich bleiben wesentliche Herausforderungen bestehen. Ein Hindernis der sichtbaren Einheit bleibt das Verständnis des Papstamtes. Franziskus selbst war es ein Anliegen, das Papsttum stärker als Dienstamt und weniger als hierarchische Machtausübung zu gestalten und damit Brücken zu bauen hinsichtlich der Akzeptanz durch andere Konfessionen. Die Studie „Der Bischof von Rom“ (2024) führt dies aus. Detaillierte Rückmeldungen zu den dortigen Vorschlägen stehen aber noch aus. Die Wiederaufnahme des Titels „Patriarch des Abendlandes“, den Papst Benedikt gerade erst abgeschafft hatte, dient in jedem Fall der Anschlussfähigkeit in Richtung der Orthodoxie.
Franziskus Betonung der Synodalität, also einer stärkeren Mitbestimmung durch Bischöfe und Laien (einschließlich Frauen), wurde in lutherischen Kreisen aufmerksam verfolgt. Römisches Amtsverständnis und Primat erschweren dennoch den Weg zur vollen sichtbaren Einheit.
Eine der größten offenen Fragen in den katholisch-lutherischen Beziehungen bleibt die Frage der Eucharistiegemeinschaft. Franziskus hat sich immer wieder offen für eine pastoral sensible Lösung gezeigt, etwa in Bezug auf konfessionsverbindende Ehen. Doch eine allgemeine Zulassung von Lutheranern zur katholischen Eucharistie oder umgekehrt blieb aus, auch wenn einzelne Bischofskonferenzen hier zu flexibleren Regelungen tendierten. Dennoch stellt der Kelch, den Papst Franziskus 2017 beim Besuch der lutherischen Gemeinde in Rom als Gastgeschenk überbrachte, ein Hoffnungszeichen im Hinblick auf größere – dann auch eucharistische – Gemeinschaft dar.