Chronik

MEILENSTEINE UND WEGMARKEN

der Weg zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und ihre 75-jährige Geschichte

1./2. Juli 1868

Es ist gar nicht so einfach, einen Anfangspunkt in der Vorgeschichte der VELKD auszumachen. Um ein konkretes Datum zu haben, bietet sich die Erste Allgemeine Evangelisch-Lutherische Konferenz (AELK) in Hannover an. Hier treffen sich etwa 1500 lutherisch geprägte Persönlichkeiten, die eine Sorge eint: Nach dem Sieg Preußens im Deutschen Krieg 1866 und der Annexion von Hannover, Schleswig-Holstein, Lauenburg, Frankfurt, Nassau und Kurhessen, befürchten die Lutheraner, dass ihre Kirchen nun über kurz oder lang in der preußischen Unionskirche aufgehen werden. Dagegen will die AELK „die Glieder der verschiedenen lutherischen Kirchengebiete Deutschlands zur Pflege ihrer Gemeinschaft einander nähern“. Es fehlt diesem Impetus jedoch der amtliche Auftrag der Kirchenleitungen, weshalb er nicht zu einem Durchbruch führt. Dennoch wird die AELK weiterhin regelmäßig zusammenkommen.

Einladung zur Allgemeinen Lutherischen Konferenz in Hannover 1868.

19. bis 24. August 1923

Diese Daten markieren den Anfang einer weltweiten Vernetzung der lutherischen Kirchen: In Eisenach findet die erste Tagung des Lutherischen Weltkonvents (Lutheran World Convention) statt, die auf Anregung der AELK und des 1918 gegründeten Nationalen Lutherischen Rates einberufen wurde. 144 Delegierte aus 22 Ländern folgen der Einladung, beraten Fragen des lutherischen Bekenntnisses und der Ökumene und beschließen praktische gegenseitige Unterstützungen. Präsident ist der sächsische Landesbischof Ludwig Ihmels. Gerade die weltweiten materiellen Hilfen nach dem Ersten Weltkrieg stärken die weltweite Zusammengehörigkeit der lutherischen Kirchen. 1947 wird aus dem Lutherischen Weltkonvent der Lutherische Weltbund hervorgehen.

11. Januar 1927

Die AELK führt im Januar 1927 in Erlangen die Bischöfe und Kirchenpräsidenten der lutherischen Landeskirchen zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Dies gilt als erste lutherische Bischofskonferenz.

September 1927

Die AELK gibt ihrem gewachsenen Selbstbewusstsein durch eine Namensänderung Ausdruck und nennt sich Lutherisches Einigungswerk.

14. Mai 1933

Der frisch gewählte bayerische Landesbischof Hans Meiser lädt die lutherischen Kirchenführer nach Würzburg ein. Die Landeskirchen Bayern, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig, Hamburg, Lübeck, Eutin, Reuß älterer Linie und Schaumburg-Lippe schließen sich zu einem lutherischen Zweig innerhalb der werdenden Deutschen Evangelischen Kirche zusammen.

31. Mai 1934

Die Barmer Theologische Erklärung (BTE), die Magna Charta der Bekennenden Kirche als Gegenbewegung zu den nationalsozialistischen Deutschen Christen, gilt weithin als Verdienst des reformierten Theologen Karl Barth. Aber auch zwei lutherische Theologen, der amtsenthobene Altonaer Pfarrer Hans Asmussen und Meisers Stellvertreter Thomas Breit, arbeiteten intensiv an dem Text mit. Die Erklärung sollte Einigkeit im Widerstand gegen die Gleichschaltung mit dem Nationalsozialismus zeigen, andererseits aber nicht die Unterschiede in den Bekenntnisständen der protestantischen Kirchen verwischen. Asmussen wird während der Synode am 30. Mai 1934 die BTE in einem ausführlichen Vortrag erläutern. Danach beansprucht die Bekenntnissynode die Rechtsnachfolge des verfassungsmäßigen Kirchenbundes. Zu den hitlertreuen Deutschen Christen und ihrer „Irrlehre“, wie Asmussen ausführte, könne nun keine Verbindung mehr bestehen. Dennoch solle der Widerspruch der Bekennenden Kirche nicht gegen den neuen Staat als solchen, sondern gegen die Verfälschung des Christusbekenntnisses gerichtet sein. In diesem Sinne verlange die „Theologische Erklärung“ eine klare Abgrenzung von Kirche und Staat. Der Synodalbeschluss übernimmt den Text der BTE ausdrücklich in Verbindung mit diesem Kommentar.

Diese Bronzeskulptur in der Fußgängerzone von Wuppertal zeigt eine Menschenmenge mit Hitlergruß, von der sich einige wenige bibellesend ab- und der Gemarker Kirche zuwenden. Dort wurde 1934 die BTE verabschiedet. Das Mahnmal stammt von Ulle Hees und wurde zum 50. Jahrestag der BTE enthüllt.

25. August 1934

Gründung des Lutherischen Rates der Deutschen Evangelischen Kirche auf Einladung und unter dem Vorsitz von Landesbischof August Marahrens, Hannover. Lutherische Bischöfe, theologische Fakultäten, Organisationen und Einzelpersönlichkeiten schließen sich zu einem Think Tank zusammen und üben teilweise scharfe Kritik an der Politik der Reichskirchenregierung und der Verhaftung missliebiger Pfarrer.

12. Februar 1935

Die drei lutherischen Bischöfe, die sich mit ihren Landeskirchen im Kirchenkampf behaupten konnten – August Marahrens aus Hannover, Hans Meiser aus München und Theophil Wurm aus Stuttgart – schließen den Lutherischen Pakt. Ziel: den Gemeindegliedern die Einheit der Kirche sichtbar machen, gemeinsame Agendenentwürfe erarbeiten, Ordnungen für das erste und zweite Examen zu verabschieden und Gesetzentwürfe austauschen.

2. bis 5. Juli 1935

Lutherischer Tag in Hannover mit 104 Teilnehmern – Vertretern aller lutherischen Kirchen und lutherischen Werke der Inneren und Äußeren Mission. Nach der Gründung von Lutherischem Rat und Lutherischem Pakt soll eine lutherische Reichssynode den Weg zu einer Kirchenvereinigung vorantreiben. Kurz zuvor verzichtet man auf den Begriff „Synode“ und spricht vom „Lutherischen Tag“, der seine besondere Bedeutung durch seine Erklärung gewinnt, dass die lutherische Kirche in Lehre, Gestalt und Ordnung der Heiligen Schrift und dem lutherischen Bekenntnis zu folgen habe. Die Teilnehmer verbindet die Anerkennung der Confessio Augustana, der Katechismen Martin Luthers und der Schmalkaldischen Artikel. Das politische Spektrum reicht jedoch von einer staatsloyalen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten bei gleichzeitiger strikter Ablehnung jeglicher Gewaltanwendung und der religiös überhöhten Rassenideologie bis zu einer offenen Kritik an der „Deutschtümelei“. Schließlich unterstreichen die Lutheraner mit einer wohlwollenden Zitation der Barmer Theologischen Erklärung und der Anerkennung der Beschlüsse der Dahlemer (1934) und Augsburger (1935) Bekenntnissynoden ihre Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche.

11./18. März 1936

Gründung desRates der Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, bekannter als Lutherrat, durch Vertreter der Landeskirchen Bayern, Württemberg und Hannover sowie der Landesbruderräte der lutherischen Landeskirchen von Sachsen, Mecklenburg und Thüringen. Nachdem auf der 4. Bekenntnissynode in Bad Oeynhausen die Zerrissenheit der Bekennenden Kirche offenbar geworden war, sammelte sich in diesem Rat der lutherische Teil. Vorsitzender des Lutherrats war Thomas Breit, Bayerischer Oberkirchenrat, ab dessen Rücktritt Ende 1938 Landesbischof Meiser.

25. bis 27. August 1945

1. Sitzung des Lutherrats nach Kriegsende, unmittelbar vor der Konferenz der evangelischen Kirchenführer in Treysa. Der württembergische Landesbischof Theophil Wurm widerspricht der von Meiser (schon für diese Sitzung vorgesehene) Schaffung einer „Vereinigten deutschen lutherischen Kirche“, einer entsprechenden Absichtserklärung wird jedoch von allen zugestimmt. Die Grundbestimmungen des Lutherrats behalten ihre Gültigkeit. Aufnahme der Arbeit an einer Verfassung auf der Grundlage bereits bestehender Entwürfe.

1. Ratssitzung der EKD in Treysa 1945 mit den Bischöfen (von links) Martin Niemöller, Wilhelm Niesel, Theophil Wurm, Hans Meiser, Heinrich Held, Hanns Lilje und Otto Dibelius.

4. Juni 1947

Auf seiner sechsten Vollsitzung gibt der Lutherrat der entstehenden VELKD zum Verhältnis zur EKD mit auf den Weg: „Die VELKD will innerhalb der EKD in brüderlicher Gemeinschaft mit den übrigen evangelischen Kirchen in Deutschland bleiben. Sie fühlt sich mitverantwortlich für das gesamte evangelische Kirchentum in Deutschland und würde es als einen Schaden und Unsegen für alle Teile ansehen, wenn die von Gott geschenkte, uns gegenseitig bereichernde Gemeinschaft zerbrechen würde.“

8. Juli 1948

Verabschiedung der Verfassung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) durch die Verfassungsgebende Generalsynode in Eisenach und Wahl einer Vorläufigen Kirchenleitung. Dieses Datum gilt als der Geburtstag der VELKD. Die Verfassung ist der dritte Entwurf seit 1945. Strittig war unter anderem der Titel des leitenden Geistlichen: Zuerst war ein „Erzbischof“ vorgesehen, dann ein „leitender Bischof“. Schließlich wurde es ein „Leitender Bischof“.

Von der Eisenacher Synodentagung gibt es keine Bilder, aber unter anderem eine Teilnehmer- und Anwesenheitsliste (hier jeweils 1. Seite), ein Telegramm an Bischof Hanns Lilje, dass die Synode trotz aller politischer Probleme in der Ostzone stattfinden könne, und eine dringende Bitte von Propst Heinrich Grüber an Lilje, sich in seinem Vortrag nicht mit der sowjetischen Besatzungsmacht anzulegen.

31. Dezember 1948

Alle in Eisenach vertretenen neun Landeskirchen (Bayern, Braunschweig, Hamburg, Hannover, Mecklenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, Schleswig-Holstein und Thüringen) haben bis zu diesem Datum der VELKD-Verfassung zugestimmt, die damit in Kraft tritt. Drei lutherische Kirchen bleiben dem Zusammenschluss fern – Eutin, Oldenburg und Württemberg.

25. bis 28. Januar 1949

1. Tagung der Ersten Generalsynode in Leipzig. Hans Meiser wird zum ersten ordentlichen Leitenden Bischof gewählt und löst Wilhelm Henke (Schaumburg-Lippe) ab, der zuvor als dienstältester Bischof dieses Amt verwaltet hatte. Grundsatzbeschlüsse verankern die Mitarbeit in der Ökumene und die Bildung von Ausschüssen.

 

 

1. Mai 1949

Das Lutherische Kirchenamt nimmt seine Arbeit in Hannover, Böttcherstraße 7, auf. Wenig später wird auch die Kirchenkanzlei der EKD von Schwäbisch Gmünd in dasselbe Gebäude verlegt. Heinz Brunotte, Hannoverscher Oberlandeskirchenrat, ist Präsident beider Häuser. Institutionell ist mit der VELKD das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB) verbunden: Der Leitende Bischof ist zugleich Vorsitzender des DNK/LWB.

 

1950

Das Lutherische Einigungswerk, das 1926 aus der AELK hervorgegangen war (siehe 1868), und der Verein Leipziger Mission (bis zu seiner Auflösung 1992) werden anerkannte Werke der VELKD. In den folgenden Jahren konzentriert sich die Arbeit der VELKD auf Agenden und Lehrfragen. Die besonders vom Schleswiger Bischof Reinhard Wester mit dem Gemeindeausschuss betriebene Schaffung einer Ordnung des kirchlichen Lebens gestaltet sich schwierig und erstreckt sich über mehrere Jahre. Mitte der fünfziger Jahre findet der Theologische Ausschuss mit der Lehrordnung und dem Lehrbeanstandungsgesetz einen konsensfähigen Weg. Es folgen das Pfarrergesetz (1963), das Amtszuchtgesetz (1965) und schließlich das Kirchenbeamtengesetz (1980).

1952

Die Generalsynode befasst sich in Flensburg auf der Basis des Lehrbeanstandungsgesetzes ausführlich mit der Theologie Rudolf Bultmanns, insbesondere mit seinem bereits 1941 vorgestellten Programm einer „Entmythologisierung“ biblischer Texte. Man befürchtet „die Entgottung Gottes“ und distanziert sich in einer Erklärung von einer „Theologie, die die Heilstatsachen Gottes in Jesus zurückdrängt, verflüchtigt und preisgibt, und bekennt sich demgegenüber zu den im apostolischen Glaubensbekenntnis bezeugten Tatsachen“. Bemerkenswert ist dabei, dass weder die Synodalen noch der Theologische Ausschuss das direkte Gespräch mit Bultmann suchten. Zwanzig Jahre später wird der neue Landesbischof von Hannover, Eduard Lohse, im Auftrag der VELKD-Bischofskonferenz Bultmann in Marburg mit dem Auftrag besuchen, „ihm unser Bedauern über missliche Verlautbarungen von einst auszusprechen und ihn unserer Verehrung und Hochachtung zu versichern“.

Mit seinem Vortrag „Neues Testament und Mythologie“ löste der Marburger Theologe Rudolf Bultmann 1941 eine lange anhaltende Debatte über die adäquate Exegese biblischer Schriften aus.

1955

Nach der Pensionierung Hans Meisers wird Hanns Lilje Leitender Bischof der VELKD – und wird es nach einer bis heute unübertroffenen Amtszeit von 14 Jahren bis 1969 bleiben.

2. bis 6. Juni 1958

Mit der Generalsynode in Berlin-Spandau nimmt die VELKD eine Aufgabe in Angriff, die für ihre künftige Arbeit prägend werden sollte: den missionarischen Auftrag der Kirche. Es werden die 22 Spandauer Thesen verabschiedet, aus denen sich Programme wie das der „Überschaubaren Gemeinde“, des missionarischen Gemeindeaufbaus, Gewinnung und Befähigung von Mitarbeitern, „Offene Kirchen“ sowie die Schriftenreihe „Missionierende Gemeinde“ entwickeln.

14. Mai 1959

Grundsteinlegung für das Theologische Studienseminar in Pullach, zunächst für die Ausbildung von Vikaren konzipiert, im Zuge der Ausbildungsreformen nach 1968 für andere Fortbildungsaufgaben eingesetzt: Kurse für die mittlere Leitungsebene, für Pfarrer, Kirchenjuristen, Kirchenbeamte, Sprachkurse (Diaspora) usw.

Landesbischof Hanns Lilje (links) - Grundsteinlegung des VELKD-Predigerseminars in München-Pullach am 14. Mai 1959.

1962

Einstellung der „Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung“ und Gründung der „Lutherischen Monatshefte“.

1. Oktober 1965

Umzug des Lutherischen Kirchenamts an den neuen Dienstsitz in der Richard-Wagner-Straße 26 in Hannover.

1966

Das 15. Pastoralkolleg unter dem Thema „Christliche Glaubensinformation – Fragen eines neuen Katechismus“ empfiehlt der VELKD-Bischofskonferenz und -Kirchenleitung die Erarbeitung eines neuen Katechismus.

1967

Der Martin-Luther-Bund, der die lutherischen Kirchen und Gemeinden in der Diaspora finanziell und geistlich unterstützt, wird anerkanntes Werk der VELKD.

1. Dezember 1968

Bildung der VELK in der DDR in Konsequenz der politischen Entwicklung in der DDR. Einleitung weiterer Überlegungen zur Umgestaltung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in der DDR.

Ingo Braecklein, Präses der Synode des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR (später Landesbischof in Thüringen), bei der 1. Generalsynode der VELK in der DDR in Eisenach 1969.

16. März 1973

In der Leuenberger Konkordie, die unter wesentlicher Mitarbeit der VELKD zustande kommt, beschließen lutherische, reformierte und unierte Kirchen in Europa die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Das Dokument haben inzwischen 94 Kirchen aus nahezu allen europäischen und einigen südamerikanischen Ländern anerkannt – sie bilden die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Das jüngste Mitglied wurde im September 2022 die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine.

Leuenberger Konkordie 1973 - Am 16. März 1973 verabschiedeten lutherische, reformierte und unierte Theologen im schweizerischen Leuenberg einstimmig ein Dokument, das die nahezu fünf Jahrhunderte lange Spaltung zwischen den reformatorischen Konfessionen beenden sollte.

1975

1. Auflage des Evangelischen Erwachsenenkatechismus (8. Auflage 2010) als kompakte, leicht verständliche und alle Lebensbereiche umfassende Darstellung des evangelischen Glaubens. Im Laufe der folgenden Jahre entwickelt sich daraus eine ganze Katechismusfamilie mit einem zusätzlichen Gemeindekatechismus, Konfirmandenbuch und einem Kinderkatechismus.

1. Januar 1978

Die 1976 beschlossene Novelle des Pfarrergesetzes ermöglicht die Ordination von Frauen für den Dienst der Pfarrerin. Ausgenommen ist Schaumburg-Lippe, für Bayern gilt ein Vorbehalt.

1978

Erste Ausgabe der „Texte aus der VELKD“ mit dem Thema: „Teilnahme von Kindern am Abendmahl.“ Die „Texte“ entwickeln sich in kurzer Zeit zum entscheidenden Informationsträger der
VELKD. Bis heute erschienen 166 Ausgaben.

1979

Zum ersten und bislang letzten Mal kommt das Lehrbeanstandungsgesetz der VELKD zur Anwendung. Der Pastor der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi, Paul Schulz, hatte 1977 das Buch „Ist Gott eine mathematische Formel?“ veröffentlicht und darin verschiedene christliche Glaubenslehren geleugnet. Das Spruchkollegium der VELKD stellt fest, dass „Pastor Dr. theol. Paul Schulz öffentlich durch Wort und Schrift in der Darbietung der christlichen Lehre in entscheidenden Punkten in Widerspruch zum Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche getreten ist und daran beharrlich festhält“. Er sei mithin nicht mehr fähig, eine amtliche Tätigkeit im kirchlichen Dienst auszuüben. Schulz tritt nach seiner Entlassung aus der Kirche aus, wendet sich dezidiert dem Atheismus zu („Codes Atheos – die Kraft des Atheismus“, 2008) und stellt 2011 an das Kirchengericht den Antrag, das Lehrzuchturteil gegen ihn aufzuheben. Die Spruchkammer der VELKD lehnt dies aus prozesstechnischen Gründen ab

Paul Schulz - Der ehemalige Pastor Paul Schulz veröffentlichte 2006 das Buch „Die Kraft des Atheismus“.

1986

Eröffnung des Gemeindekollegs der VELKD für die Kirchenentwicklung auf allen Ebenen kirchlicher Organisation vom Kirchenvorstand bis zur Leitungsperson. Zunächst beheimatet auf dem Ge-lände des Predigerseminars in Celle, ab 2008 bis 2022 in Neudietendorf bei Erfurt (Thüringen). – Im Oktober beschließt die Generalsynode der VELKD die Erklärung zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit der Evan-gelisch-methodistischen Kirche, die in einem gemeinsamen Gottesdienst am 29. September 1987 öffentlich gefeiert wird.

Gemeinsamer Gottesdienst zur Einführung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der VELKD und der Evan-gelisch-methodistischen Kirche mit (von links): Martin Kruse, EKD-Ratsvorsitzender, Klaus Engelhardt, Vorsitzender der Arnoldsheimer Konferenz, Karlheinz Stoll, Leitender Bischof der VELKD und Hermann Sticher, Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche.

1988

Der Leitende Bischof der VELKD, Karlheinz Stoll, besucht mit dem bayerischen Landesbischof Johannes Hanselmann Papst Johannes Paul II. in Rom.

Die Bischöfe Hanselmann und Stoll bei Papst Johannes Paul II. im März 1988.

1991

Wiederbeitritt der Landeskirchen von Mecklenburg, Sachsen und Thüringen zur VELKD.

4. April 1992

Die Hamburger Pröpstin Maria Jepsen wird zur weltweit ersten Bischöfin einer evangelisch-lutherischen Kirche gewählt.

Maria Jepsen - Maria Jepsen war von 1992 bis 2010 die erste Bischöfin weltweit.

1993

Eröffnung des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der VELKD an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig zur Forschung und Ausbildung in Theorie und Praxis von Gottesdiensten.

2000

Die Monatszeitschrift „zeitzeichen“ folgt aus dem Zusammenschluss von „Die Zeichen der Zeit“, „Evangelische Kommentare“ und „Reformierte Kirchenzeitung“.

2007

Start des Verbindungsmodells zwischen EKD und den konfessionellen Zusammenschlüssen VELKD und Union Evangelischer Kirchen (UEK). Das Amt der VELKD zieht um in das Kirchenamt der EKD in Hannover, Herrenhäuser Straße 12; ebenso die Geschäftsstelle des DNK/LWB .

1. Januar 2009

Aus der Fusion der thüringischen Landeskirche und der Kirchenprovinz Sachsen geht die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hervor, die Gliedkirche der VELKD wird.

15. März 2009

Eröffnung des LWB-Zentrums in Wittenberg für die Organisation von Fortbildungen, Tagungen und Seminaren für Teilnehmende aus den 148 Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes. Zugleich Start des Projektes Luthergarten für das Reformationsjubiläum 2017: Christliche Weltgemeinschaften, Kirchen und Gemeinden weltweit pflanzen 500 Bäume in Wittenberg und entsprechende Korrespondenzbäume in ihren Heimatkirchen.

Luthergarten - Der Luthergarten ist eine Parkanlage südwestlich der Altstadt von Wittenberg, in dessen Mitte eine stilisierte Lutherrose mit Kreuz angelegt ist. Das "Himmelskreuz" ist ein Kunstwerk aus Aluminium und Edelstahl aus zwei übereinander schwebenden Kreuzen.

28. Oktober 2009

Die Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannovers, Margot Käßmann, wird zur ersten Ratsvorsitzenden der EKD gewählt.

2012

Nach jahrelanger Zusammenarbeit formalisiert der Lutherische Weltbund die Beziehung zur VELKD, die fortan als „anerkannter Kirchenrat“ gilt.

21. Februar 2012

Der Leitende Bischof der VELKD, Gerhard Ulrich, wird zum ersten Landesbischof der neuen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland gewählt, zu der sich Nordelbien, Mecklenburg und Pommern zusammengeschlossen haben. Die Anzahl der Mitgliedskirchen in der VELKD beträgt nun

Oktober 2012

Das Liturgiewissenschaftliche Institut in Leipzig wird um ein Schallarchiv mit Tonaufnahmen von geistlichem Liedgut erweitert.

2016

In einem Osterbeitrag für die „Evangelische Zeitung“ vom 27. März schreibt der Leitende Bischof der VELKD, Gerhard Ulrich, die Jünger von Jesus hätten nach der Kreuzigung und dem ersten Schock begriffen, dass Jesus tot sei: „Sein Leib wird vergehen wie jeder Menschenleib.“ Daraufhin erteilt der bayerische Pfarrer Jochen Teuffel dem Leitenden Bischof, der laut Verfassung in allen Kirchen im VELKD-Bereich predigen darf, ein Kanzelverbot für die Martin-Luther-Kirche in Vöhringen (Iller). Ulrich habe mit dieser Aussage sein Ordinationsversprechen gebrochen und stehe „im Widerspruch zum Evangelium sowie zu den Lehrbekenntnissen unserer Kirche.“

2017

Auf der Weltausstellung Reformation inWittenberg bespielt die VELKD das „Himmelszelt“ des LWB mit eigenen Veranstaltungen – unter anderem Vorträge zum Thema „Bibel und Bild“, die Jazzsuite „Heart of Rose“ von Uwe Steinmetz (Liturgiewissenschaftliches Institut Leipzig) und einer Live-Performance des Künstlers Henning Diers zur 85. These Luthers.

2018

Das Amt der VELKD wird stärker in die Verwaltung der EKD integriert und bildet nun den Amtsbereich der VELKD im Kirchenamt der EKD.

November 2018

Die Generalsynode der VELKD beschließt, dass ab 2021 mindestens acht der 50 Synodalen zu Beginn einer Legislaturperiode unter 27 Jahre alt sein müssen.

2021

Im Gemeinderat Pullach beginnt eine Diskussion über die „Bischof-Meiser-Straße“, in der auch das Theologische Studienzentrum der VELKD liegt. Im Lauf der Debatte wird eine Umbenennung erwogen oder eine Ergänzung des Straßenschildes um eine historische Einordnung von Hans Meiser, der von 1933 bis 1955 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und von 1949 bis 1955 Leitender Bischof der VELKD war. Kritische Stimmen werfen ihm vor, dass er sich in Aufsätzen „dezidiert antisemitisch“ geäußert habe. Die Historikerin Nora Schulze veröffentlicht eine Meiser-Biografie mit dem Untertitel „Lutheraner – Untertan – Opponent“, in der ein differenzierteres Bild des Theologen gezeichnet wird, der sich engagiert gegen die Gleichschaltung seiner Landeskirche mit den Deutschen Christen eingesetzt habe. Eine Entscheidung über den Straßennamen wird für Mitte 2023 erwartet.

2023

Nach Schließung des Gemeindekollegs in Neudietendorf fördert die VELKD die Forschungsstelle „Kirchen- und Gemeindetheorie – Ökumene und Wissenstransfer im weltweiten lutherischen Kontext“ an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie gehört mit zwei weiteren Forschungsstellen zum Forschungszentrum „CES Center for Empowerment Studies – Forschungszentrum Christliches Empowerment in der Säkularität“, das von Prof. Michael Domsgen, Lehrstuhl für Religionspädagogik, geleitet wird. Die Forschungsstelle wird sich Grundfragen der Kirchen- und Gemeindeentwicklung widmen und dabei ihre Perspektive für Konzepte und Anregungen aus der Ökumene und dem weltweiten lutherischen Kontext öffnen. Sie fördert den Wissenstransfer zwischen akademischer Theologie und kirchlicher Praxis.

Zusammengetragen von Friedrich-Otto Scharbau und Frank Hofmann. 
Bildrecherche: Manuela Nordmeyer-Fiege/Landeskirchliches Archiv Hannover.

Literatur zur Geschichte der VELKD

  • Friedrich-Otto Scharbau: Geschichte und Wirken der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) – die 1. Tagung der 1. Generalsynode der VELKD in Leipzig. In: 60 Jahre VELKD. Hg. vom Amt der VELKD. Sonderausgabe „Texte aus der VELKD“, März 2008.
  • Friedrich-Otto Scharbau: Art. „Die Vereinigte Evangelisch- Lutherische Kirche Deutschlands“. In: Theologische Realenzyklopädie Band 34, Berlin/New York 2002, S. 581 – 592.
  • Thomas Martin Schneider: Gegen den Zeitgeist – der Weg zur VELKD als lutherischer Bekenntniskirche. Göttingen 2008.