Die güldne Sonne voll Freud und Wonne

von Paul Gerhardt (1607 – 1676)

1. Die güldne Sonne
voll Freud und Wonne
bringt unsern Grenzen
mit ihrem Glänzen
ein herzerquickendes, liebliches Licht,
Mein Haupt und Glieder,
die lagen darnieder
aber nun steh ich,
bin munter und fröhlich,
schaue den Himmel mit meinem Gesicht.

2. Mein Auge schauet,
was Gott gebauet
zu seinen Ehren
und uns zu lehren,
wie sein Vermögen sei mächtig und groß
und wo die Frommen
dann sollen hinkommen,
wann sie mit Frieden
von hinnen geschieden
aus dieser Erden vergänglichem Schoß.

3. Lasset uns singen,
dem Schöpfer bringen
Güter und Gaben;
was wir nur haben,
alles sei Gotte zum Opfer gesetzt!
Die besten Güter
sind unsre Gemüter;
dankbare Lieder
sind Weihrauch und Widder,
an welchen er sich am meisten ergötzt.

4. Abend und Morgen
sind seine Sorgen;
segnen und mehren,
Unglück verwehren
sind seine Werke und Taten allein.
Wenn wir uns legen,
so ist er zugegen;
wenn wir aufstehen,
so lässt er aufgehen
über uns seiner Barmherzigkeit Schein.

5. Ich hab erhoben
zu dir hoch droben
all meine Sinnen;
lass mein Beginnen
ohn allen Anstoß und glücklich ergehn.
Laster und Schande,
des Satanas Bande,
Fallen und Tücke
treib ferne zurücke;
lass mich auf deinen Geboten bestehn.

6. Lass mich mit Freuden
ohn alles Neiden
sehen den Segen,
den du wirst legen
in meines Bruders und Nähesten Haus.
Geiziges Brennen,
unchristliches Rennen
nach Gut mit Sünde,
das tilge geschwinde
von meinem Herzen und wirf es hinaus.

7. Menschliches Wesen,
was ist’s gewesen?
n einer Stunde
geht es zugrunde,
sobald das Lüftlein des Todes drein bläst.
Alles in allen
muss brechen und fallen,
Himmel und Erde,
die müssen das werden,
was sie vor ihrer Erschaffung gewest.

8. Alles vergehet,
Gott aber stehet
ohn alles Wanken;
seine Gedanken,
sein Wort und Wille hat ewigen Grund.
Sein Heil und Gnaden,
die nehmen nicht Schaden,
heilen im Herzen
die tödlichen Schmerzen,
halten uns zeitlich und ewig gesund.

9. Gott, meine Krone,
vergib und schone,
lass meine Schulden
in Gnad und Hulden
aus deinen Augen sein abgewandt.
Sonsten regiere
mich, lenke und führe,
wie dir’s gefället;
ich habe gestellet
alles in deine Beliebung und Hand.

10. Willst du mir geben,
womit mein Leben
ich kann ernähren,
so lass mich hören
allzeit im Herzen dies heilige Wort:
„Gott ist das Größte,
das Schönste und Beste,
Gott ist das Süßte
und Allergewisste,
aus allen Schätzen der edelste Hort.“

11. Willst du mich kränken,
mit Galle tränken
und soll von Plagen
ich auch was tragen,
wohlan, so mach es, wie dir es beliebt.
Was gut und tüchtig,
was schädlich und nichtig
meinem Gebeine,
das weißt du alleine,
hast niemals keinen zu sehr noch betrübt.

12. Kreuz und Elende,
das nimmt ein Ende;
nach Meeresbrausen
und Windessausen
leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht.
Freude die Fülle
und selige Stille
wird mich erwarten
im himmlischen Garten
dahin sind meine Gedanken gericht.